1. Handelsvertreterprovision
1.1 Entstehung
Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht aufschiebend bedingt bereits mit Abschluß des Vertrages zwischen dem Unternehmer und dessen Kunden. In diesem Zeitpunkt ist die Provisionsforderung nach Grund und Berechnungsfuß festgelegt. Eine anschließende Beendigung des Vertretervertrages vor Ausführung des Geschäftes beeinträchtigt die Forderung nicht. Der Handelsvertreter hat eine gefestigte Rechtsposition erlangt, die übertragen und gepfändet werden kann. Die aufschiebende Bedingung für den Provisionsanspruch tritt nach § 87a I 1 HGB ein, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat, zusätzlich auflösend bedingt, daß der Dritte nicht leistet, § 87a Abs. 2 HGB;
BGH v. 21.12.1989, NJW 1990, S. 1665.
1.2 Fälligkeit der Provision
Der Provisionsanspruch wird am letzten Tag des Monats fällig, in dem nach § 87c Abs. 1 HGB über den Anspruch abzurechnen ist; § 87a Abs. 4 HGB.
1.3 Bezirksvertreter, Vermittlungsvertreter
Bezirksvertreter, § 87 Abs. 2 HGB: Dieser hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte eines Bezirks, wenn dieser dem Handelsvertreter zugewiesen worden ist.
Der Vermittlungsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat (§ 87 I Satz 1 HGB) – Kundenschutz.
Für die provisionsauslösende Mitwirkung des Handelsvertreters reicht es aus, wenn diese nur mitursächlich ist;
StRspr BGH v. 14.12.1959 – II ZR 178/58; zuletzt BGH v. 12.03.2015 – VII ZR 336/13
Beispiel: Handelsvertreter macht ersten Besuch beim Kunden, während anschließend der Unternehmer selbst den Auftrag entgegennimmt.
Handelsvertreter reist mit Unternehmer zum Kunden und spielt nur die Rolle des Statisten bei diesem Besuch, der zum Auftrag führt.
Der Umfang der Mitwirkung ist gleichgültig, wenn sie sich nur im Rahmen der von ihm erwarteten Leistung bewegt;
BAG v. 22.01.1971 – 3 AZR 42/70.
1.4 Zustandekommen des Auftrages
Saisonverkäufe – Handelsvertreter holt Aufträge des Kunden zur Lieferung in ca. sechs Monaten herein – Unternehmer schweigt über Annahme bis zur Lieferung (Aufträge werden nicht bestätigt).
Stillschweigender Verzicht auf den Zugang der Auftragsannahme gemäß § 151 BGB und/oder Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten. Bedeutsam sind ín diesem Zusammenhang auch die AGB der Unternehmen, die häufig Klauseln über die Bindung der Kunden an ihre Aufträge enthalten.
Nach Ansicht des OLG München (Urteil vom 04.05.1994 – 7 U 4587/93) wird bei Teillieferungen mit der ersten vorbehaltlosen Teillieferung der ganze Auftrag bestätigt.
Sehr bedeutsam für die Textilindustrie!
1.5 Nichtausführung der Geschäfte
§ 87a Abs. 3 HGB läßt den Provisionsanspruch bestehen, wenn der Unternehmer das zustande gekommene Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen ist, es sei denn, der Unternehmer hat die Nichtausführung nicht zu vertreten.
Zu vertreten hat der Unternehmer diejenigen Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht nur, wenn ihm oder seinen Erfüllungsgehilfen insoweit persönliches Verschulden zur Last fällt (§§ 276, 278 BGB), sondern darüber hinaus auch dann, wenn sie seinem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind;
BGH v. 01.06.2017 – VII ZR 277/15.
Unabdingbare Bestimmung nach § 87a Abs. 5 HGB.
Weit verbreitete Praxis: Generelle Belastung von Stornos und Gutschriften in der Provision. Diese Praxis ist gesetzeswidrig!
Vom Unternehmer zu vertretende Umstände:
- Unterlassene Nachbearbeitung der Geschäfte: BGH v. 28.06.2012 – VII ZR 130/11; v. 12.03.2015 – VII ZR 336/13
- Verspätete Lieferung, BGH v. 11.07.1960, BB 1960, 957; vergl. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07;
- Schlechtlieferung und Retouren, BGH v. 11.10.1990, DB 1990, 2592; vergl. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07;
- Wunsch des Kunden nach Stornierung: BGH v. 01.12.1960, BB 1961, 147, vom 11.10.1990, DB 1990, 2592.
- Risiko der Selbstbelieferung und der Arbeitskräfte; BGH v. 13.07.1959, BB 1959, 864;
Vom Unternehmer nicht zu vertretende Umstände:
- unvorhersehbare Betriebsstörungen oder rechtswidrige staatliche Eingriffe: BGH v. 01.06.2017 – VII ZR 277/15
- höhere Gewalt: Vergl. BGH v. 05.03.2008 – VIII ZR 31/07
- wohl auch coronabedingte Nichtausführung des Geschäfts: Emde, ZVertriebsR 2020, 138; Thume, BB 2020, 1419
Der Selbstbelieferungsvorbehalt in den Lieferungsbedingungen der Textilindustrie ist für den Handelsvertreter unbeachtlich.
Der Handelsvertreter hat darzulegen und zu beweisen, daß ein provisionspflichtiges Geschäft zustande gekommen ist, der Unternehmer dagegen, daß ihm die Ausführung des Geschäfts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich geworden oder ihm nicht zuzumuten ist;
BGH v. 02.03.1989, BB 1989, S. 1077.
Um über all diesen Dinge Kenntnis zu erlangen, steht dem Handelsvertreter der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu. Mehr dazu finden Sie unter „Provisionsabrechnung“.
1.6 Entfallen des Provisionsanspruches
Der Provisionsanspruch entfällt, wenn feststeht, daß der Dritte nicht leistet; § 87a Abs. 2 HGB.
In der Regel sind gerichtliche Zwangsmaßnahmen zur Beitreibung des Zahlungsanspruches des Unternehmers zumutbar, anders bei Vermögenslosigkeit, Insolvenz o.ä.;
BGH v. 27.09.1956, HVR Nr. 119.
1.7 Nach Vertragsende
Nach Vertragsende entfällt der Provisionsanspruch nicht, wenn das Geschäft vor Vertragsende abgeschlossen worden ist; § 87 Abs. 3 HGB.
Wird das Geschäft erst nach Vertragsende abgeschlossen, erhält der Handelsvertreter Provision, wenn er das Geschäft angebahnt hat, d.h. es überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist und innerhalb angemessener Frist abgeschlossen wird.
Eine angemessene Frist in diesem Sinne sind je nach Geschäftsart 3 Monate bis 2 Jahre.
Der Provisionsanspruch des Bezirksvertreters als Erfüllungsanspruch kann auch nach Beendigung des Vertrages nicht unter dem Gesichtspunkt der Ersparnis oder der Möglichkeit anderweitigen Erwerbs oder aus dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs gemindert werden;
BGH v. 12.03.1992, BB 1992, S. 1162.
Der Provisionsanspruch nach Vertragsende kann vertraglich abbedungen werden. Entgehende Provisionen sind beim Ausgleich gemäß § 89b HGB zu berücksichtigen. Hierbei wird jedoch häufig nicht darauf geachtet, dass unabdingbare Überhangprovisionen i.S.v. § 87a Abs. 1 HGB i.V.m. § 87a Abs. 3 HGB von einer solchen Vereinbarung zwingend auszunehmen sind, da diese ansonsten unwirksam sind;
BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07.
Eine häufige Schwachstelle, auf die geachtet werden muss.
Scheidet der Handelsvertreter aus dem Vertragsverhältnis und hat er nach § 87 Abs. 3 S. 1 HGB einen nachvertraglichen Provisionsanspruch, so kann jedoch unter Umständen der nachvertragliche Provisionsanspruch aus Billigkeitsgründen mit dem Nachfolger gem. § 87 Abs. 3 S. 2 HGB zu teilen sein.
In der Regel steht dem ausscheidenden Handelsvertreter jedoch der volle nachvertragliche Provisionsanspruch zu.
Verjährung
Für sämtliche Provisionsansprüche gilt die allgemeine Verjährung des BGB von 3 Jahren gem. § 195 BGB.
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